Mit feiner Bleistiftschrift setzte der Zeichner Alfred Kubin (1877–1959) an den linken Rand des Blattes den Titel Die Stadt gen Osten. Düstere Wolkenschwaden haben sich über der in endlos weiter Landschaft gelegenen, an den Horizont gerückten Stadt verdichtet. Inmitten von schlichten, quaderförmigen Häusern mit tiefen Fenster- und Türöffnungen ragt ein minarettartiger Turm in den unheilvoll vernebelten Himmel. Die rätselhafte Ansiedelung, auf deren Ausläufer wir blicken, ist an den rechten Bildrand gerückt. Davor ausgebreitet liegt eine leere Ebene voller Ödnis – und mittendrin, auf die menschenleere Stadt zustrebend, eine gebückte Figur in einem talarartigen Gewand mit langer Schleppe, auf einen Stock gestützt sich mühselig gekrümmt vorwärtsquälend. Wohin geleitet uns Kubin? Ist es das viel zitierte weite Land, eine verunsichernde Seelenlandschaft, ein Sehnsuchtsort oder beunruhigende Fremde?
Sign. re. u.: AKubin; bez. li. u.: Die Stadt gen Osten
Nennung
Leopold Museum, Wien, Inv. 1019
Inventarzugang
Eingebracht in die Leopold Museum-Privatstiftung 1994
Literaturauswahl
Alfred Kubin. Bekenntnisse einer gequälten Seele, hrsg. von Hans-Peter Wipplinger, Köln 2022 (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, 16.04.2022–24.07.2022).
Alfred Kubin. Aus meinem Reich. Meisterblätter aus dem Leopold Museum, hrsg. von Rudolf Leopold/Romana Schuler, Wien 2002 (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, 05.10.2002-06.01.2003).