Dem Hochformat leicht schräg eingeschrieben und von einer Umrahmungslinie gefasst stellt der Bildhauer und Grafiker Ernst Barlach (1870–1938) in seiner Lithografie eine archetypische Figur in Szene: Lediglich das markante, etwas derbe im Profil dargestellte Haupt und eine den spitzen Dolch umfassende Hand kragen aus der geschlossenen Form des Umhanges. Als wäre der Umhüllte im Begriff, eine Missetat oder einen politisch motivierten Mord auszuüben, verharrt er leicht nach vorn gebeugt und abwartend. Die in die weichen Linien des Steindruckes gegossene Gestalt weist etwas Zeitloses und Enthobenes auf. Unter dem Textil zeichnen sich die Arme und eine vom Mantelstoff verborgene Faust ab – als würde sie das wahre Geheimnis der posenhaft erstarrten Figur in sich bergen. Barlachs singuläre Formensprache wird in der etwas kantig-naiven Charakteristik und der von Rundungen getragenen klaren Linienführung evident, die auch seinen Skulpturen innewohnen.
Eingebracht in die Leopold Museum-Privatstiftung 1994
Literaturauswahl
Deutsche Expressionisten. Mit Meisterwerken aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza, hrsg. von Rudolf Leopold/Michael Fuhr, Wien 2006 (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, 28.09.2006-10.01.2007).