Dieses großformatige Gemälde entstand im Frühjahr 1914 und wurde kurz darauf von der Jury der Münchner Secession für die jährliche Sommerausstellung auserwählt. Anders als in den ikonenhaften Tafelbildern früherer Jahre wie
„Tote Mutter“ I, 1910, oder
Mutter und Kind, 1912, inszeniert Egon Schiele (1890–1918) die Mutter mit ihren Kindern hier ganzfigurig. Doch auch hier dominiert der Eindruck der Beklemmung, wenn die nackte, blicklose Stillende ihre Kinder mit breit gegrätschten Beinen und weit nach vorn gebeugtem Oberkörper blockhaft umschließt. Für die eigentümliche Körperhaltung der Mutter ließ sich Schiele von Auguste Rodins (1840–1917) Plastik
Hockende Frau von 1880/82 inspirieren, die als Karyatide in seinem
Höllentor eine verlorene Seele darstellen sollte. Doch Rodins in Bronze gegossene Verletzlichkeit überführt Schiele in eine dem Querformat der Leinwand folgende Geometrisierung und Tektonisierung des Körpers, dem damit jeglicher Ausdruck von Zärtlichkeit und Gefühl abhandenkommt. Der bleiche Körperblock hebt sich ab vom erdtonigen, amorph-facettierten Umraum, nur im Hintergrund nimmt eine stilisierte Wiege – die schon die Assoziation der Bahre in sich trägt – die Orthogonalen des kubischen Körpers wieder auf. Aus der nährenden, schützenden Mutter macht Schiele ihr dunkles Zerrbild.
VG, 2022