Im Atelier Hans Ungar (1880–1942 nach Izbica deportiert) in Neulengbach ließ sich der 22-jährige Egon Schiele (1890–1918) zweimal, jeweils mit einem seiner heute sehr bekannten Gemälde, ablichten: hier mit dem
Herbstbaum in bewegter Luft und das andere Mal mit der
Herbstsonne I. Beide Werke entstanden 1912 in Neulengbach, wo der Künstler seit August 1911 wohnte. Schiele positionierte das Gemälde auf einer Atelierstaffelei und stellte sich rechts dahinter, während er seinen Blick nach links wendet. Der senkrechte Holzbalken der Staffelei, an dem die Bildhalter fixiert sind, wird durch den oberen Fotorand beschnitten und teilt die Aufnahme im oberen Bereich in zwei Hälften. Es mutet wie ein Fenster an, durch das Schiele zu sehen ist. Beide Leinwände wurden in der Frühjahrsausstellung der Künstlervereinigung Hagenbund in Wien von März bis April 1912 in der Zedlitzhalle präsentiert und fanden im gleichen Jahr prominente Erstbesitzer: Der Mitbegründer der Wiener Werkstätte, Fritz Waerndorfer (1868–1939), erwarb die
Herbstsonne I, während die Künstlerin und Sammlerin Magda Mautner von Markhof (1881–1944) den
Herbstbaum in bewegter Luft ankaufte, da sie in ihrer Sammlung, wie sie sagte, die „junge Wiener Kunst vollständig vertreten haben“ wollte.
KJ, 2024