Doppelbildnis von Egon Schiele mit Zigarette, 1915

Mittels Doppelbelichtung entstand 1915 eine markante wie gelungene Porträtfotografie von Egon Schiele (1890–1918). Gleich zweimal erscheint der Künstler im Bild, links im Halbprofil blickt er mit einem kaum merklichen Lächeln geradeaus, rechts ist sein nachdenklicher Blick sich selbst zugewandt; in der rechten Hand hält er eine Zigarette. Es ist, als ob sich Schiele selbst beobachten würde: nachdenklich, fragend, mit Blick in die Vergangenheit und Gedanken an die Zukunft. Freilich brachte das Jahr 1914 und die darauffolgenden Jahre zahlreiche, teils dramatische Änderungen mit sich und stellten auch Schieles Leben auf den Kopf: „Was vor 1914 war gehört zu einer anderen Welt“, schrieb er im November des Jahres an seine Schwester Gerti (ESDA 109). Auch in seinem künstlerischen Werk finden sich rätselhafte Doppelselbstdarstellungen, wie in den Gemälden Die Selbstseher I, 1910 (verschollen), Die Selbstseher II, 1911, oder Der Prophet, ebenfalls 1911, das sich heute in der Staatsgalerie Stuttgart befindet. 1910 schrieb Schiele: „Ein Selbstbild. Ich bin alles zugleich. – Aber niemals wer’d ich alles zugleicher Zeit tun.“ (ESDA 292).

KJ, 2024