Wien
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Brief von Egon Schiele aus Neulengbach an Carl Reininghaus
11.04.1912
(Tulln 1890–1918 Wien)
(Graz 1857–1929 Wien)
Transkription:
Lieber K. R. ich muß Dir nochmals
danken daß Du mir Deinen Advoka-
ten angeraten hast. – Es ist eine
Frechheit was geschehen ist. – In
einigen Zeitungen stand „Ent-
führung eines 14 jähr.[igen] Mädchens“
was grund falsch ist. Ich hätte
dieselbe am Eis kennen gelernt und
war niemals am Eis. Ich hätte
mich in einen [!] Wiener Hotel ein-
logiert an denselben [!] Abend als
ich das zweitemal bei Dir war,
bei dem II. Abend (23.III.) u.s.w.
– Richtig ist daß ich dieselbe hier in
N. [Neulengbach] kennen gelernt habe, weil sie mir
wirklich nachgelaufen ist; richtig ist
daß sie von daheim durchgehen wollte
und mir erzählte, sie habe eine
Großmutter in Wien. u.s.w.
ich bin neugierig wie die Geschichte
ausgeht. 125 Zeichnungen sind
mir konfisziert worden, natürlich
von einem Gendarm und einen [!]
Polizeimann, sehr bezeichnend. -
Ich habe für Samstag eine Vor-
ladung. Das könnte ich einmal Dir
erzählen. – Ich bin natürlich sehr
gehindert an meiner Arbeit. –
Ich habe Dir die österreichische Illustrierte
schicken lassen, dort schreibt ein Neuer
über den Hagenbund und mich.
Die WW [Wiener Werkstätte] hat die Bäume mit der
Sonne gekauft im Hagenbund. –
Wie geht es Dir denn, wenn Du
schon besser bist so schreibe mir
einiges; wenn Du mir jetzt nicht
sitzen willst zum malen so möchte
ich Karli [Karl Reininghaus, Sohn d. Empfängers] anfangen geht das? –
Lieb wäre es von Dir, wenn
Du mir den Rest für das
Brettlbild anweisen möchtest
nämlich 110 K [Kronen] weil ich sonst
immer Vorschüsse vom Hagen-
bund nehmen muß. Und man
erzählt mir immer von meinen
Mäzen, die Leute sind ekelhaft.
– Was hast Du schon gezeichnet?
Ich bin sehr neugierig! –
Schreibe mir wenn Du willst.
Herzliche Grüße
Egon Schiele
Neulengbach.
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Privatsammlung Leopold, Wien; (1)
Leopold Museum-Privatstiftung, Wien (2023)
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