Jünglingskopf / Büste des emporsteigenden Jünglings, undatiert

Ernst und verschlossen neigt der Jüngling seinen Kopf. Im hageren Gesicht manifestiert sich ein nachdenklicher, ruhiger Ausdruck. Mit dem schlanken, überlangen Hals haftet der Büste etwas Zartes, Zerbrechliches an. Welch düstere Gedanken plagen ihn wohl, möchte das Gegenüber fragen. Die Büste als autonomes Werk steht in Zusammenhang mit der Plastik Emporsteigender Jüngling, die der deutsche Bildhauer Wilhelm Lehmbruck (1881–1919) in den Jahren 1913/14 schuf. Mit über zwei Meter Höhe repräsentiert sie eine monumentale, emporstrebende Figur, deren Blick nach unten gerichtet ist. Während die Ganzfigur durch die theatralische Inszenierung im Raum besticht und die Spannung zwischen zwei unterschiedlichen Polen unmittelbar erfahrbar macht, verdichtet die Büste des Jünglings den gegenwärtigen psychischen Ausdruck. Die für den Expressionismus wegweisende Plastik zeigt ein Menschenbild, das im Werk von Egon Schiele (1890–1918) eine Parallele findet. Wohl aus diesem Grund stellte der deutsche Kunstsammler Karl Ernst Osthaus 1912 beide Künstler gleichzeitig in Hagen aus.

AK, 2021