Dieses Plakat entwarf Egon Schiele (1890–1918) für die
49. Ausstellung der Wiener Secession, die vom 1. März bis zum 1. April 1918 zu sehen war und ihm einen großen, auch finanziellen Erfolg einbringen sollte. In dieser Gruppenausstellung beanspruchte Schiele den Hauptraum der Secession für die Präsentation seiner Werke, ebenso selbstbewusst inszenierte er sich im Plakat als Anführer einer Tafelrunde an der Seite von Künstlerkollegen wie Georg Merkel (1881–1976), Anton Faistauer (1887–1930), Albert Paris Gütersloh (1887–1973), Alfred Kubin (1877–1959) und Felix Albrecht Harta (1884–1967). Dafür modifizierte er das Gemälde
Die Freunde (Tafelrunde), das Ende 1917 bzw. zu Beginn des Jahres 1918 entstanden war und ihn noch am Kopfende einer L-förmigen Tafel mit acht weiteren Männern speisend zeigte. Für das Plakat wurde die christliche Ikonografie abgeschwächt, indem die Teller durch Bücher ersetzt wurden. Weiters fehlt gegenüber dem früher entstandenen Gemälde die mittig platzierte Rückenfigur an der unteren Bildkante, die Gustav Klimt (1862–1918) zugeordnet wird. Am 6. Februar 1918 war dieser an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben – Schiele fertigte
Zeichnungen des toten Klimt an –, der leere Stuhl mag daher jene Lücke markieren, die der Tod des für Schiele und andere Künstler*innen seiner Generation so wichtigen Künstlers gerissen hatte.
VG, 2021