Bildnis Waldemar Unger II, 1902/03

In diesem Frühwerk stellt der Maler Richard Gerstl (1883–1908) seinen Jugendfreund Waldemar Unger (1881–1938) dar. Das Bildnis zeigt den angehenden Rechtsanwalt in repräsentativer Kleidung. Schwarzes Sakko und Krawatte mit hohem weißem Hemdkragen, dessen Ecken in der Mitte aufgeklappt sind. Gemäß der Brustbildtradition des 19. Jahrhunderts mit neutralem Hintergrund verhalten sich der Ausschnitt und die Positur des Dargestellten. Jedoch zeigen sich neben akademischen Zügen bereits malerische Neuerungen, die Gerstl durch Kenntnis der Malerei der Impressionisten einbringt: Die Malweise mit lockeren Pinselstrichen definiert Weißhöhungen auf der Stirn und unter den Augen. Sie betonen das helle Gesicht vor dem braungrauen Hintergrund. Zudem wird die persönliche Erscheinung des Dargestellten von einer hellen, feinen Aura umfangen. Die jugendliche Ausstrahlung gepaart mit ernstem Gesichtsausdruck und selbstbewusstem Blick vermittelt Klarheit und Zielstrebigkeit.

AK, 2022