Broncia Koller-Pinells (1863–1934)
Sitzende (Marietta) offenbart in der stilisierten Hintergrundgestaltung die unmittelbare Nähe zur secessionistischen Ästhetik, insbesondere zu Gustav Klimts (1862–1918) Flächenkunst und dessen „Goldener Periode“, wenngleich diese bei Koller-Pinell im Sinne einer konstruktiven Vereinfachung eingesetzt ist. Mit ihrem Aktbild wandte sich Koller-Pinell einem für Künstlerinnen tabuisierten Thema zu, das auch Ausschlussgrund für ihren Zugang zur Kunstakademie war. Mittels des innovativen, strengen Bildaufbaus transportiert sie ihren persönlichen Blick auf die Dargestellte, der hier nicht länger ein erotisierender, den weiblichen Körper ornamental bannender ist, sondern die Lebendigkeit und Individualität des Modells hervorhebt. Die Intimität der Szene wird durch den präsenten, offenen Blick des Modells und dessen beinahe schüchterne Körperhaltung unterstrichen, die berühmte Aktdarstellungen der Kunstgeschichte wie Tizians (1488/90–1576)
Venus von Urbino (1538) oder Édouard Manets (1832–1883)
Olympia (1863) zwar zitiert, sich von diesen jedoch weit entfernt.
Text Leopold Museum