Egon Schiele (1890–1918) hatte drei Schwestern, von denen die älteste, Elvira Schiele (1883–1893), schon 1893 im Alter von zehn Jahren starb. Die beiden anderen Schwestern, Melanie (1886–1974) und Gertrude Schiele (1894–1981), überlebten ihren Bruder um viele Jahre.
Auf dem 1915 entstandenen Foto sieht man die damals 29-jährige Melanie hinter ihrer Mutter Marie Schiele (1862–1935) stehen, die zum Zeitpunkt der Fotoaufnahme 53 Jahre alt ist. Es handelt sich dabei um eine Express-Postkarte, die bei dem Fotografen Heinrich Seering in Hütteldorf entstanden ist. Auf der rechten Bildhälfte ist noch eine dritte Person erkennbar, die jedoch durch den Ausschnitt verloren ging. Auf der Rückseite der Fotopostkarte findet sich eine handschriftliche Notiz: „Zur Erinnerung an einen schönen Herbst Ausflug in Hütteldorf am 6/10 1915“.
Ebenso wie ihr Bruder betätigte sich Melanie in ihrer Freizeit künstlerisch und schuf Aquarelle und Zeichnungen. Sie war zudem als Modistin tätig und entwarf etliche Hutkreationen. So sieht man sie auf einigen Fotografien mit unterschiedlichen, oft opulenten Hüten
Melanie Schiele. Doch bot sich für Melanie nicht die Möglichkeit, ihre Leidenschaften zum Beruf zu machen, sondern sie arbeitete als Schalterbeamtin bei der Bahn, wo sie später ihren Mann Gustav Schuster (1884–1933) kennenlernte. Als ältere Schwester nahm sie stets die beschützende, mütterliche Rolle ein. Melanie kümmerte sich nach dem frühen Tod des Vaters 1905 um Mutter sowie Geschwister und nahm später die kranke Mutter bei sich auf und pflegte sie bis zu ihrem Tod.
KJ, 2024