Männliche Obsession oder die Annäherung an weibliches Begehren? Wenn Karl Hubbuch (1891–1979) mit seiner Lithografie
Ménage à trois zeichnerisch raffiniert und kompositorisch ausgeklügelt zwei Frauen in unterschiedlichen Stadien des Be- und Entkleidetseins nebeneinanderlagert und einen voll bekleideten Mann daneben positioniert, werden in seinem expliziten Darstellen erotischer Pose und Nacktheit Sehgewohnheiten eines Publikums genährt, die in den von Tabubrüchen des auslaufenden 19. und hereinbrechenden 20. Jahrhunderts begleiteten Traditionen entstanden waren. Und doch bricht Hubbuch geschickt und psychologisch ausgeklügelt mit diesen, indem er kleine Details sachte verrückt und neu kontextualisiert: Im Vordergrund liegend ein Frauenakt mit leicht gespreizten Beinen, von einem drapierten Tuch sanft umspielt, mit vollen, weichen Brüsten und der Hand zwischen den Schenkeln. Nur dass im Unterschied zu ähnlichen Darstellungen die Handfläche in beinahe abwehrender Geste nach außen gereckt gezeigt wird. Es handelt sich also um keine Darstellung weiblicher Masturbation, wie sie von Sammlern erotischer Bildnisse so oft begehrt wurden. An diese Figur geschmiegt, mit leichtem Hohlkreuz auf dem Bauch liegend, die Beine ausgestreckt und aneinander gepresst eine weitere, mit Bluse, Rock und Schuhen bekleidete. Allerdings hat sie den Rock keck bis an ihr Hinterteil hinaufgeschoben, die Strumpfbandhalter sind aufreizend präsentiert. Vollendet wird die Titel gebende
Ménage à trois von einer männlichen Figur, die sich in voller Bekleidung in Mantel und Kappe mit entrückt-gequältem Gesichtsausdruck an die Schulter der mittleren der drei Figuren klammert. Als einzige nimmt diese mit unmittelbarem Blick Kontakt mit uns Betrachter*innen auf. Grotesk, mysteriös und seltsam, wie viele Werke des Vertreters der Neuen Sachlichkeit, steht diese Lithografie für ein Œuvre, mit dem Hubbuch im Regime der Nationalsozialisten auf Ablehnung stieß.
MH, 2021