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ONLINESAMMLUNG

Brief von Adele Harms an Edith Schiele, 12.07.1915

Leopold Museum,
Wien
Leopold Museum,
Wien
Tinte auf Papier
27,2×21,1 cm

Künstler*innen

  • Adele Harms

    (Wien 1890–1968 Wien)

  • Edith Schiele

    (Wien 1893–1918 Wien)

Leider derzeit nicht ausgestellt

Transkription:

Montag 12. VII. – Vor Mitternacht.

Wisst Ihr meine Lieben dass Euer Delale [Adele Harms] vorige Woche
krank war, jetzt raucht sie wieder – Gott sei Dank! –
Ich glaubte mit dem guten K. Brot etwas mitgeschluckt
zu haben der Arzt behauptete jedoch ich hätte einen
akuten Kehlkopfkatarrh u. soll mich schonen – bei
feuchten [!] Wetter nicht ausgehen (es regnet aber jetzt
fortwährend, wie bei Euch) inhalieren u. denkt Euch
nicht sprechen. Ich hab aber weder das eine noch das
andere befolgt. Was sagst Du zu meiner Courage.
Ich war sogar Sonntag damit baden aber ohne Was-
ser nur Sonne & Luft. Wie geht es denn bei Dir Ediderle [Edith Schiele]
mit Deiner Wange? Wie kommst Du nur zu diesen [!]
Spass. Lass Dir doch diese überflüssige Drüse nehmen.
Muttis Fuss ist immer noch nicht besser er heilt diesmal
so langsam.
Wenn Sonntag nichts dazwischen gekommen wäre.
denk Dir, oh Schreck! die liebe Frau Pelikan war da und

später zum Nachtmahl sind unsere 4 Bengels m.[it] Mama
gekommen; wäre ich gerne ins Theater gegangen, aber ein
Ausreissen wäre unmöglich gewesen. So sieht es Sonn-
tag in der Hietzinger Hauptstrasse aus!
Dass Neuhaus kein Theater mehr hat wundert mich
sehr, ich habs auch schon im Lexikon verbessert, vielleicht
ist aus dem Theater die Scheune geworden in der Egon [Schiele]
jetzt schläft. Heute hab ich zufällig eine alte „Künst-
lerzeitung in die Hand bekommen. Da steht in einer Kritik:
„Die übrigen taten schlecht u. recht mit, die Herren [Franz?] Höbling
u. [Hermann?] Romberg allerdings mehr schlecht als recht.“ Ich erwäh-
ne das nur weil wir frührer [!] anders über R. [Romberg] geurteilt haben.
Weil ich schon beim Theater Quatsch bin, so schreib
mir bitte nächsten [!] bestimmt wer von italienischen Sän-
gern ausser [Alessandro] Bonci schon an der Volksoper gastiert haben?
Nächstens werde ich fotografiert, ich werde Euch dann
Bilder schicken, ihr müsst dasselbe tun aber schon
bald ich sehne mich furchtbar danach Euch wenig-
sten im Bilde zu sehen. Unser Frag- u. Antwort Spiel

gefällt mir sehr gut! Du bekommst dafür romisch [!] I. Es soll
auch dabei bleiben, du musst uns täglich erzählen was
Du machst u. wie es Euch geht. Das ist sehr wichtig, das
hält uns fest zusammen, überbrückt die Entfernung
u. lässt uns nicht entfremden! Nicht wahr, derselben
Meinung bist Du auch! Wie lange war es schon mein
Wunsch mit Dir od.[er] Egon telefonisch zu sprechen.
aber ausgeschlossen. kriegshalber. Ach wenn dieses
Wort nur schon passé wäre. Hier spricht man
darüber verschieden. Heut habe ich mit einem Leutnant
gesprochen, der meint heut ein Jahr ist noch kein Ende.
Mit uns soll es in Italien nicht mehr so gut stehen wie
am Anfang. Es sind auch schon 2 Tage keine E. Ausgb. [Essensausgaben].
Am [unleserlich] werden wieder Städte geräumt.
Wie heisst Egons Oberleutnant von dem Du gesprochen
hast? – Unlängst war eine von den Malerinnen wie
sie Egon nennt bei uns im Geschäft, aber wie sie mir
erzählte ist sie, weder ihre Cousine Malerin. Mich hat
sie dafür für eine Französin gehalten. Also Ent-
täuschung auf beiden Seiten. – Sterotyp [!] ist von
Madame Fuchs das tägliche Fragen, was schreibt

Ihre Schwester? Sie interessiert sich schweinbar [!] sehr für Dich!
Und sie meint ich soll Dich doch besuchen wenn Du so
vor Sehnsucht nach mir stirbst. M.F. [Madame Fuchs] ist jetzt des öfteren
schwimmen gegangen, hat sich aber dadurch Symptome v.[on]
Rheumatismus zugezogen u. muss daher dieses gesundt-
heitsschädliche Vergnügen w.[ie] sie sagt einstellen. Zu meinem
grössten Leidwesen sitzt sie mir fortwährend am Hals.
Und das [!] ich nicht sprechen darf beherzigt sie – Gott sei Dank –
sehr – so kann ich meinen Gedanken u. Träumen freien
Lauf lassen, was mich dann wieder entschädigt. – Sie
schwört nicht mehr kalt zu baden, was zur Folge hat
dass sie mit Fr. Dr. Verkauf nicht in nähere Berührung
kommen kann. – Du machst uns schön lange Zähne mit
Deinen Heidelbeeren. Mach den Wald um 5 kg ärmer u. schick
uns welch in einer Schachtel. Das Kompott davon schmeckt
köstlich. – Deine u. meine rosa Blouse ist wieder nicht nur
gebrauchsfähig sondern auch effectvoll geworden.
Was sagst Du zu dem biederen [Ludwig] Ganghofer, der ist jetzt
zu seinem 60. Geburtst.[ag] mit dem eiser[n]en Kreuz ausgezeichnet
worden. Anschliessend lies diese Zeitungsnotiz. – Was
mag da eigentlich für ein Motiv zu diesen späten jä-
hen [!] Entschluss gewesen sein? – Oberst Ltnt. [Leutnant] Fürbass
Pfeifendeckel ist seit heute weg. – Spät aber doch! –
Und nun leb wohl lieber Frechdachs – erstaun nur
nicht, das „warum“ werde ich nächstesmal mitteilen.
Bussi – Kussi – Euch beiden. Dely.

Objektdaten

Künstler*in​/Autor*in
  • Absenderin: Adele Harms
  • Empfängerin: Edith Schiele
Titel
Brief von Adele Harms an Edith Schiele
Datierung
12.07.1915
Kategorie
Autograf
Material​/Technik
Tinte auf Papier
Maße
27,2×21,1 cm
Nennung
Leopold Museum, Wien, Inv. 7629
Inventar­zugang
Neuzugang 2023
Werk­verzeichnis
  • ESDA ID 2809
Schlag­wörter
Egon Schiele
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Provenienz

Provenienzforschung
im Leopold Museum i

Privatsammlung Leopold, Wien; (1)
Leopold Museum-Privatstiftung, Wien (2023)

  1. Archiv des Leopold Museums, Rechnung Nr. 01-2023 vom 18.04.2023

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