Wien
Wien
Brief von Emmy Obransky an Marie Schiele
10.11.1918
(Krumau 1862–1935 Wien)
Transkription:
10./11.1918.
Hochgeehrte Gnädige Frau!
Meine bittere Armuth zwingt
mich, Ihre mich glücklich
machende kaum gewonnene
Freundschaft – bis zu dem
Tage, so ich als bekannte
und beliebte Künstlerin wie-
der vor Sie hintreten kann
vorläufig aufzugeben.
Mein Kampf ist bitter
schwer, da ich auf mich allein
angewiesen bin, ohne jede
Hilfe
Entweder ich erreiche, was ihr
Sohn erreichte, oder ich mache
meinem traurigen Dasein ein
Ende. – – – – – – –
Ihr edler Sohn, mein
geliebter Egon [Schiele] wollte mir
im erreichen meiner Kunst hilfreich
zur Seite stehen, das versprach
er mir, den [!] er liebte mich eben
so aufrichtig wie ich ihn.
Das grausame Schicksall [!]
wollte es anders, mir blieb
nichts als sein teures Grab,
bei dem ich mir immer Trost
und Muth [!] holen werde.
Den [!] er war mir dez. [?] außer mei-
ner Kunst das liebste auf der
Welt. – – – – – –
Das erste größere musikali-
sche Werk von mir, soll den
Namen Ihres geliebten Sohnes
tragen. – – – –
Zeichnungen die mir Egon geben
wollte, würden mich durch ihren
Besitz glücklich machen.
Über diesen meinen Herzens-
wunsch können nur Sie gnädige
Frau entscheiden. – –
Verzeihen Sie gnädige
Frau wenn ich Sie, so sehr es
mich schmerzt – nicht mehr besuche
nur als anerkannte Componistin sehen
Sie mich wieder.
Das Bild Egon’s sende ich Ihnen
sofort, sobald ich ein zweites habe.
Indem ich Sie herzlichst bitte gnädi-
ge Frau mich nicht zu vergessen, bitte
ich um dasselbe Ihr Frl. [Fräulein] Tochter,
ich hoffe, daß wir später noch gute
Freundinnen werden.
Mit innigen Grüßen an Sie
liebe gnädige Frau sowie an
Frl. Mella [Melanie Schiele] zeichnet in tiefster
Verehrung Ihre unglückliche
Emmy Obransky
Liebes Frl
Mella, eifern
Sie bitte Ihrem
unsterblichen
Bruder in der
Mallkunst [!]
nach.
Ja!
Auf Wieder
sehen.
Emmy
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Privatsammlung Leopold, Wien; (1)
Leopold Museum-Privatstiftung, Wien (2023)
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