Postkarte von Egon Schiele an Anton Peschka, 01.07.1915

Transkription:

Lieber A. P. [Anton Peschka] am Donnerstag d.[en] 17. d. M. [dieses Monats] wurden
wir in der evangel.[ischen] Kirche Wien getraut, am
nächstfolgenden Tag sind wir hierher nach Prag
gefahren wo wir zusammen bis zu meinem
Einrückungstag 21.d. M. 8h früh im Hotel
Paris, Prag wohnten. Seit Montag 8h sind
wir ca. 10.000 Leute ob einj. Freiw. [einjährig Freiwillige] oder
Gen.[eräle] in einer großen Ausstellungshalle
auf Stroh und in Schweiß und Dreck gebettet.
Die Tschechen sind selbst schuld wenn
wir seit der Zeit streng bewacht
werden und mit der Außenwelt nicht in
Berührung kommen dürfen. Trotzdem sah
ich Deserteure. unerhört hinterlistig.
Nur bei einen [!] Zaun kann ich mit Edith [Schiele]
sprechen. Hier sollen wir bis heute Freitag
oder morgen Samstag bleiben. Bei der
Präsentierung wurde ich „zur Bewachung“
Reg.[iment] 75. in Neuhaus i. Böhm. [in Böhmen] genommen.
Vor 2 Jahren wurde ich von [Marianne] Cerny’s Freund
dorthin eingeladen u. hätte dort umsonst
wohnen u. Leben gehabt, – vielleicht geht das
dann, das wäre fein. – Was ist mit
Dir wirst Du fortkommen? – die ganze
Lage steht ja jetzt ausgezeichnet. Schreibe
mir sofort wenn ich nach Neuhaus käme, was
da mit uns geschieht, ich bin einj. freiw.

wie lange wird man nicht heraus
gelassen oder kann man gleich
heraus oder muß man die erste
Zeit in der Kaserne schlafen? – Edith
wird überall mitgehn, –
sie läßt Dich herzl.[ich] Grüßen
und schreibe an Egon Schiele
Hotel Paris, Prag. – bis ich eine
neue Adresse angib. Herzlichst
Egon

[Adressblock:]
Herrn Anton Peschka
Einjähr. Freiw. Der Inf. Reg. [Einjährig Freiwilliger des Infanterie Regiments] 42
Offiziersschule.
in Gablonz a./ N.
[Adresse durchgestrichen und von anderer Hand korrigiert:]
Theresienstadt.