Teils unter esoterischem Vorzeichen nahm der Wiener Kinetismus wahrnehmungsdynamische Prozesse in den Fokus. Schauplatz dieses singulären Experiments war Anfang der 1920er-Jahre die Wiener Kunstgewerbeschule. Der reformwillige Franz Čižek (1865–1946) war in seiner Klasse für ornamentale Formenlehre bestrebt, ein neues Sehen zu fördern, zu dem der Expressionismus (Empfindungen), der Kubismus (Beziehungen zwischen Raum und Objekt) und der Futurismus (Bewegung) führen sollten. „Aus der Kristallisation dieser lebendig empfangenen Rhythmen ergab sich die Offenbarung, das Ornament unserer Zeit“, schrieb Leopold Wolfgang Rochowanski (1888–1961) 1922 in Der Formwille der Zeit in der angewandten Kunst. Čižeks Schülerin Erika Giovanna Klien (1900–1957) – neben Elisabeth Karlinsky (1904–1994) und My Ullmann (1905–1995) die herausragendste Vertreterin dieser neuen Malerei – schuf ein kinetistisches Marionettentheater und gab auch als Kunstpädagogin an mehreren Tanzschulen Čižeks Lehre weiter. Nach der Übersiedlung der Künstlerin in die USA im Jahr 1929 machten sich in ihrer Praxis konstruktivistische Tendenzen sowie das Interesse für „primitive“ Kinderkunst bemerkbar. Die kinetistischen Gestaltungsformeln kamen ab den frühen 1940er-Jahren ihren Versuchen zugute, sich als Dekorationskünstlerin und Gebrauchsgrafikerin zu etablieren. Die Entstehung dieser Arbeit fällt in die Zeit, in der sich Klien intensiv mit Vogelflug-Motiven und der Bewegung der Großstadtmassen beschäftigt hat.