Selbstbildnis mit der Frisierhaube, 1923

Ironisch und karikierend referenziert Albert Birkle (1900–1986) die Bildtradition der italienischen Renaissanceporträts, indem er sich selbst im scharfen Profil vor einer alpinen Landschaft mit saftig grünen Almmatten, violetten Gebirgsketten und pittoresken, verschneiten Bergspitzen und hineingewürfelter Kirche mit Zwiebeltürmchen darstellt. Dementsprechend grotesk wirkt das mit breiten Pinselzügen in Öl auf Karton plastisch ausformulierte Gesicht des Künstlers, das mit konzentriertem Blick unter gesenkten Augenbrauen einen Fernpunkt zu fixieren scheint und zugespitzt charakteristische Züge aufweist. Die Strenge der dunklen Oberbekleidung und des weißen Stehkragens wird durch die Darstellung einer eng anliegenden Frisierhaube konterkariert und die eigentümliche Gesamtwirkung ins Skurrile gesteigert. Ähnliche motivische Ambivalenzen in Birkles Œuvre lassen sich bis in die frühen 1930er-Jahre finden – oft in Zusammenhang mit den religiös-sozialkritischen Tendenzen seines neusachlichen Realismus.

MH, 2021