Drei Mädchen am Fenster, 1939

Karl Hofer (1878–1955) erkor in einer ganzen Reihe von Gemälden den Fensterrahmen zum Schauplatz aus. Nicht der jeweilige Auslöser, sondern die Reaktion wird so zum Ereignis. Im Jahr 1939, in dem viele düstere Vorahnungen Realität wurden, hielt der von den Nazis verfemte Künstler seine Drei Mädchen am Fenster in einer Art Ausnahmezustand fest, wobei unklar bleibt, wie gravierend der soeben erfolgte Zwischenfall auf der Straße gewesen sein mag. Die vorne an der Fensterbank Lehnende wurde wohl beim Putzen unterbrochen und blickt neugierig, doch keineswegs beunruhigt nach draußen; sie dürfte schon oft Zeugin unliebsamer Dinge gewesen sein. Die tiefer im Dunkel des Zimmers Stehende im Morgenrock, vielleicht die Dame des Hauses, erweckt hingegen den Eindruck der Schockstarre. Die leichte Kleidung der Frauen und die hochgezogene Jalousie mögen auf einen Sommertag hindeuten, der sein Glücksversprechen nicht einlösen kann.

IR, 2021