Der herablassend gesenkte Blick vermittelt das Standesbewusstsein der Porträtierten, das jedoch von erwartungsvoller Sensualität und wohl auch von einer Prise Schwermut überlagert wird. Das bildfüllende Brustbild der Frau ist fest umrissen, doch es ist kaum zu übersehen, dass diese Festigkeit erst in einigem Abwägen und Verschieben errungen werden musste. Wohl erst abschließend schmälerte der Maler in kräftigem Gestus das Halbprofil, die Schulter rechts blieb angeschnitten. Anton Faistauer (1887–1930) war anfangs ein Weggefährte Egon Schieles (1890–1918), doch die expressionistischen Vorstöße seiner Studienkollegen waren ihm fremd. Nach einer secessionistischen Phase und intensiver Auseinandersetzung mit der Malerei Paul Cézannes (1839–1906) entwickelte er eine eigenständige Ausdrucksform. Seine Mission sah er im Brückenbauen zwischen Tradition und Moderne, die er einem eigenen Bekenntnis zufolge auf ein gemeinsames „Urschöpferwesen“ zurückführte.
Die Sammlung Schedlmayer. Eine Entdeckung, hrsg. Hans-Peter Wipplinger/Ivan Ristic, Wien 2021 (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, 10.09.2021-20.02.2022).