Das Gemälde zeigt Leopold Czihaczek (1842–1929), den Onkel und Vormund Egon
Schieles, beim Klavierspiel in seinem Musikzimmer in der Leopoldstädter Zirkusgasse,
in dem laut Augenzeugen zwei Flügel standen. Stilistisch greift Schiele im Pinselduktus
spätimpressionistische Tendenzen auf, kombiniert mit der typisch gedeckten, pastelligen Farbpalette des Frühwerks. In kompositorischer Hinsicht differenziert der Künstler in beleuchtete und verschattete Bildpartien, die ihn das ungewöhnlich große Querformat trotz der gewählten Perspektive dramaturgisch bewältigen lassen. Wie zur Versöhnung legt er demgegenüber eine einheitliche Dynamik der Pinselstriche an, die nach der unteren rechten Ecke streben. Die Nahsicht auf den Klavierspielenden, das Hinterfangen seines im verlorenen Profil gezeigten Kopfes durch die hellen Fensterscheiben und der Fokus, der dadurch auf die Notenblätter gelegt wird, vermitteln den Eindruck größter Versunkenheit in die Musik. Diese wird von den bewusst unscharf wiedergegebenen Händen, gleichsam abgekoppelt vom Rest des Körpers, zum Erklingen gebracht.
VG 2022