Knabe an der Quelle („Die Quelle“), 1923

Mensch und Natur als Einheit – so formuliert der Maler Albin Egger-Lienz (1868–1926) im Gemälde Knabe an der Quelle mit kurzen, breiten Pinselzügen die Figur eines auf ocker-bräunlicher Erde liegenden Hirtenjungen, der aus einem Wasserloch trinkt und sich dabei mit angezogenen, kräftigen Armen abstützt. Ein Motiv, das Egger-Lienz mit kleinen Unterschieden mehrmals umsetzte. Körper und Untergrund sind mit gleich dynamischen Pinselzügen entwickelt. Hell-Dunkel-Kontraste, Konturen und unterschiedliche Farbgebung lassen die Gestalt aus der tonigen Erde wachsen. Die hellblaue Fläche im Hintergrund wirkt verhaltener moduliert. Spannung in der durchgeplanten Komposition schafft Egger-Lienz mit der diagonalen Positionierung des in die Bildfläche hingestreckten Körpers, auf den wir aus der Aufsicht blicken. Eine über den hoch angesetzten, gekrümmten Horizont kragende Ferse suggeriert räumliche Wirkung. Die plastisch-geschlossenen Formen erwecken den Eindruck von Zeitlosigkeit, Allgemeingültigkeit und Monumentalität.

MH, 2021