Johann Baptist Reiter (1813–1890) hat in seinem Ölgemälde Mädchenbildnis eine uns bis dato unbekannte junge Frau im Brustbild verewigt. Vor dunklem Hintergrund blickt sie mit ruhiger Mine die Betrachtenden unvermittelt an, dunkel auch ihr Gewand, streng dadurch der Gesamteindruck – zumindest auf den ersten Blick. Denn Lichtreflexe in ihren Augen und die geröteten Backen beleben das Gesicht. Dieses ist wiederum ein wenig aus der Mittelachse nach links gerückt. Ein zarter weißer Spitzenschleier umfängt unregelmäßig den Kopf, hebt das helle Gesicht mit den dunkelbraunen in Locken gelegten Haaren vom dunklen Hintergrund ab. Unruhig erscheint auch der mit bewegten Pinselstrichen ausgeführte Knoten des Schleiers vor dem Hals des Mädchens – ein Gegenpol zur zentral positionierten Brosche, die das Dekolleté geschlossen hält. Diese Kombination aus Zurückhaltung und Lebendigkeit zeichnen Reiters Mädchenbildnisse aus der Zeit um 1860 aus.
Eingebracht in die Leopold Museum-Privatstiftung 1994
Literaturauswahl
Frauenbilder – Künstlerinnen – 19. und 20. Jahrhundert. Vom Biedermeier bis zur Moderne, hrsg. von Elisabeth Leopold, Wien 2017 (Ausstellungsbroschüre, Leopold Museum, Wien, 07.07.2017–18.09.2017).
Körper, Gesicht, Seele. Frauenbilder vom 16. bis ins 21. Jahrhundert, hrsg. von Elisabeth Leopold, Wien 2006 (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, 09.06.2006-02.10.2006).