Eine frontal gesehene Häuserreihe, deren einzelne Gebäude wie Perlen aneinandergereiht sind, durchmisst das 1914 entstandene Gemälde als horizontales Band. Die darunter- und darüberliegenden Bildelemente folgen diesem Prinzip der horizontalen Schichtung und generieren damit ein eindrückliches Beispiel des bei Egon Schiele (1890–1918) in dieser Zeit kompositorisch dominanten Flächenraums. Nähe und Ferne werden ohne Zuhilfenahme perspektivischer Mittel suggeriert, indem die Terrainstreifen der unteren Bildhälfte enger geführt werden als die weiter entfernt erscheinenden Partien von Wasser und Himmel im Hintergrund. Die fünf nebeneinanderstehenden Häuser sind in diesem undefinierbaren Land zwischen Himmel, Meer und Acker in dezidierter Vereinzelung dargestellt; weit entfernt scheint die zelluläre Verbindung des Gebauten in Werken wie „Die kleine Stadt“ III. Der Eindruck der Isolation wird durch die Anthropomorphisierung der Häuser noch verstärkt, Fassaden werden zu bleichen Gesichtern, Fenster zu Augen und Mündern.
VG, 2022
Zusatztext gemäß Vergleich, Juni 2012:
« Eugenie „Jenny“ Steiner, geb. Pulitzer (1863–1958), war Eigentümerin einer Seidenmanufaktur und Kunstsammlerin. 1938, unmittelbar nach dem Anschluss, flüchtete sie vor den Nationalsozialisten nach Paris, emigrierte später in die USA. Egon Schieles Stadtlandschaft „Die Häuser am Meer“ („Häuserreihe“), ein Gemälde aus der Sammlung von Jenny Steiner, wurde von den Nationalsozialisten 1938 beschlagnahmt und veräußert. Es gelangte 1940 im Dorotheum zur Auktion, fand jedoch zunächst keinen Käufer. 1941 wurde es neuerlich im Dorotheum zur Versteigerung gebracht und von Josefine Ernst erworben. Ihr Sohn, Johann Ernst, verkaufte das Bild 1955 an Rudolf Leopold. Seither gehört für Rudolf Leopold, der lebenslang und erfolgreich für das Werk Egon Schieles eintrat, das Gemälde „Die Häuser am Meer“ („Häuserreihe“) zum Kernbestand der Sammlung Leopold.
Nachdem das Gemälde zweifelsfrei Eigentum der Leopold Museum-Privatstiftung ist, es aber ebenso eindeutig Jenny Steiner 1938 entzogen wurde, war es dem Leopold Museum ein wichtiges Anliegen, eine gemeinsame Lösung mit den Erben nach Jenny Steiner zu finden.
Nach langen Verhandlungen ist es zunächst im Jahr 2011 gelungen, mit der einzigen Enkelin von Jenny Steiner eine faire und gerechte Lösung herbeizuführen.
Im Jahr 2012 konnte auch mit den weiteren Erbengruppen eine gemeinsame Lösung gefunden werden. »