Rückenansicht eines weiblichen Halbaktes mit Tuch (Fragment von „Bekehrung“ II), 1913

Im Jahr 1913 wagt Egon Schiele (1890–1918) sich an Gemälde mit für ihn bis zu diesem Zeitpunkt ungeahnten Ausmaßen, namentlich an die beiden unvollendet gebliebenen und heute nur noch in Fragmenten erhaltenen bzw. verschollenen Gemälde „Begegnung“ und „Bekehrung“ II. Die Rückenansicht eines weiblichen Halbaktes mit Tuch stammt aus dem letztgenannten monumentalen Querformat, auf dem ursprünglich etwa zwölf lebensgroße Gestalten um eine zentrale Figur in Predigerpose geschart waren. Der Augenzeuge Otto Benesch (1896–1964) beschreibt das Gemälde wie folgt: „Die Figuren waren frei erfunden, aber durch die Wirklichkeit angeregt. Freunde, Schiele Nahestehende, erkannte man darauf: Klimt, meinen Vater, und in den Zügen eines Jungen erkannte ich mich selbst wieder. Sie alle trugen lange Kutten wie Mönche. Auch weibliche Akte, vom Rücken gesehen, erschienen.“ Stilistisch und motivisch ist der Einfluss Ferdinand Hodlers (1853–1918) in diesem Gemälde bzw. in dessen erhaltenen Fragmenten deutlich spürbar. Generell sind Schieles allegorische Werke der Jahre 1912 und 1913 durch einen Rückgriff auf symbolistische Bildentwürfe geprägt.

VG, 2022