Fräulein List von 1910/1913 ist eines von Hans Böhlers (1884‒1961) frühen Werken, in denen sich die Linie auflöst. Wie im bereits 1906 entstandenen, atmosphärisch ähnlichen Gemälde Mädchen im Garten drückt es über Farbe Körperlichkeit und Stimmung aus. Es markiert den Zeitraum von Böhlers gradueller Zuwendung zum Expressionismus. Zu dieser Zeit beschäftigte er sich intensiv mit dem französischen Postimpressionismus. Im pointillistischen Stil und den pastellig rosa leuchtenden Farben lässt sich der Einfluss seines Lehrers Franz Jaschke (1862‒1910) erkennen. Bei ihm besuchte Böhler 1902 eine private Malschule. Glücklich lächelnd scheint das Fräulein List in sich, aber auch in ihre Umgebung versunken und ist durch die Malweise mit dem Hintergrund verschmolzen. Kopf und Hände schweben in dunkelblauen Auren. In der Forschungsliteratur finden sich keine Hinweise zu ihrer Identität, es könnte sich aber um ein Mitglied aus der Familie des sezessionistischen Malers Wilhelm List (1864‒1918) handeln.