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ONLINESAMMLUNG

Brief von Josefine Harms an Marie Schiele, 13.12.1918

Leopold Museum,
Wien
Leopold Museum,
Wien
Tinte auf Papier
16,9×13,1 cm

Künstler*innen

  • Josefine Harms

    (Weitersfeld 1850–1936 Wien)

  • Marie Schiele

    (Krumau 1862–1935 Wien)

Leider derzeit nicht ausgestellt

Dies ist der zweite Teil des Briefes, welcher mit diesem Blatt beginnt.

Transkription:

wie Egon war, bekomme wiederhole ich
Ihnen heute nicht zum ersten Mal, daß ich
mich gegen die Heirat mit der ganzen
Macht meiner Autorität gewährt [!] habe und
nur ja und Amen sagen mußte, weil man
mich vor die Alternative gestellt hatte, geht
es nicht mit meiner Einwilligung so geht
es eben ohne, und das wäre gewiss ge-
schehen, denn Sie dürften vieleicht [!] wissen dass
Egon einen unbeugsamen Willen hatte.
Den [!] bei aller Verehrung seiner Persönlich-
keit, zum Schwiegersohn hab ich ihn nicht
gewünscht. Denn ich war immer der Ansicht,
Künstler sollen nicht heiraten; zum Glück
war Egon auch als Künstler eine Ausnahme
und meine Edith für ihn die richtige Frau
was ich aus seinem eigenen Munde weiß.
Mit welcher Aufopferung sie Egon in der
ersten Zeit seiner militärischen Pflicht bei-
gestanden ist daß wissen wir nur allein
in Neuhaus war er über die unwürdige
militärische Behandlung derart verzweifelt
daß wenn Edith nicht alles angewendet hätte
ihn aufrecht zu erhalten er sich das Leben
genommen hätte.

Nach Neuhaus hat erst der richtige
Leidensweg für die Beiden angefangen;
ich habe geholfen so viel es mir möglich
war, Ihnen haben sie sich nicht offenbart
Sie hätten ja doch nicht helfen können aber
unter Diskretion und unter vier Augen als
Mutter zur Mutter möchte ich Ihnen erzählen
welchen Kampf die beiden guten Seelen um
ihre Existenz hatten; doch zum ewigen Not-
leiden waren die beiden distinguierten
Menschen nicht geschaffen. Egon verdiente
durch seine eminente Begabung viel und
leicht und hat zu leben verstanden, kein
Wunder, wenn die Erben enttäuscht sind.
Über alles, was Sie vermissen, bin
ich keine Rechenschaft schuldig, unsere
Dienstboten waren notorische Diebinnen aber
es war möglicherweise noch ein dritter
Dieb dabei! –
Zum Schluß kann ich Ihnen den Vorwurf von
Gefühlslosigkeit und Taktlosigkeit nicht
ersparen; mit welchem Eifer Sie nach Ediths
Pelz u. Tasche gefragt haben, weil Ihr Pelz
Ihnen nicht mehr gut ist und der Beutel
zu unpraktisch. Dieses Vorgehn hat uns ganz
erschüttert, nicht minder die Worte von Ihrer

Tochter, daß Egon nicht hinter einem Kadaver
geht, daß hat er als gebildeter Mensch si-
cherlich nicht gesagt, denn er hat gewußt
was das Wort bedeutet.
Mit der Ihnen gebührden [gebührenden]
Hochachtung zeichnet sich
Fr. Jos. [Josefine] Harms.

Objektdaten

Künstler*in​/Autor*in
  • Absenderin: Josefine Harms
  • Empfängerin: Marie Schiele
Titel
Brief von Josefine Harms an Marie Schiele
Datierung
13.12.1918
Kategorie
Autograf
Material​/Technik
Tinte auf Papier
Maße
16,9×13,1 cm
Nennung
Leopold Museum, Wien, Inv. 7626 02
Inventar­zugang
Neuzugang 2023
Werk­verzeichnis
  • ESDA ID 2805
Schlag­wörter
Egon Schiele
Datenbank der Autografen

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Egon Schiele Datenbank der Autografen

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Provenienz

Provenienzforschung
im Leopold Museum i

Privatsammlung Leopold, Wien; (1)
Leopold Museum-Privatstiftung, Wien (2023)

  1. Archiv des Leopold Museums, Rechnung Nr. 01-2023 vom 18.04.2023

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