Die persönliche traumatische Erfahrung als Mutter, die den jüngeren ihrer beiden Söhne 1914 als Opfer einer der ersten Schlachten des Ersten Weltkrieges verlor, hallen im Œuvre der empathischen Künstlerin Käthe Kollwitz (1867–1945) nach. Ab 1922 befasste sie sich in ihrem grafischen Zyklus
Krieg visionär mit den nahenden Gefahren eines neuerlichen politischen Zusammenbruches. In der geschlossenen Form der Rundplastik
Turm der Mütter von 1937/38 bilden Frauenfiguren mit ihren Leibern einen schützenden Kranz um ihre Kinder, um von außen dräuende Gefahren von ihnen abzuwehren, aber vermutlich auch, um innere Bedrohung zu verhindern: Käthe Kollwitz’ Sohn Hans hatte sich freiwillig zum Dienst an der Front gemeldet. Bezeichnenderweise wurde die 1938 nach Entwürfen von Kollwitz gegossene Bronzeskulptur von den Nationalsozialisten aus der Berliner Schau im Atelierhaus mit der Erklärung entfernt, im Dritten Reich hätten es die Mütter nicht nötig, ihre Kinder zu beschützen, weil dies der Staat für sie erledige. Als gelernte Grafikerin war Kollwitz im Schaffen von Skulpturen von Selbstzweifeln gequält. Die langjährige Freundschaft zu dem – ebenfalls antifaschistisch eingestellten – Bildhauer Ernst Barlach (1870–1938) diente ihr als Orientierungshilfe beim Finden von künstlerischen Lösungen.
MH, 2021