In berückend schauriger Schreckensvision lässt der österreichische Zeichner und Grafiker Alfred Kubin (1877–1959) in seinem Werk Der Tod als Reiter von 1906 mit fließend weichen Formen der Gouache auf Katasterpapier in der Grisaille-Düsternis von bräunlichen Grautönen ein Skelett in weitem Gewand einer Frau in nach vorne gebeugter Haltung auf der Kruppe eines sich durch tosende Fluten kämpfenden Pferdes reiten. Dem Tier ist der zehrende Kampf gegen die Naturgewalten ins gequälte Gesicht geschrieben. Es wirkt, als würde ihm der Boden unter den Hufen schwinden und es verzweifelt versuchen, ans Ufer zu gelangen. In der apokalyptisch anmutenden Szene treiben unzählige Menschen in den gurgelnden Fluten und kämpfen ums Überleben. Manchen von ihnen scheint die Kraft bereits geschwunden. Auf einer sandbankartigen Landzunge haben sich hilflose Menschen in trügerische Sicherheit gebracht. Die Fluten werden sich ihrer bemächtigen. Eine einzelne Figur balanciert auf einem über das tobende Wasser kragenden Balken. Wie von einem Scheinwerfer aus der Finsternis herausgehoben nutzt Kubin eine ovale Aufhellung, um das bedrückende halluzinative Weltuntergangsszenario herauszuschälen. Der mit Farbballungen nebulös schäumend dargestellte diffuse Hintergrund verstärkt die Wirkung absoluter Aussichtslosigkeit.
Eingebracht in die Leopold Museum-Privatstiftung 1994
Literaturauswahl
Alfred Kubin. Bekenntnisse einer gequälten Seele, hrsg. von Hans-Peter Wipplinger, Köln 2022 (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, 16.04.2022–24.07.2022).
Wien 1900. Sammlung Leopold, hrsg. von Diethard Leopold/Peter Weinhäupl, Wien u.a. 2009.
Alfred Kubin. Aus meinem Reich. Meisterblätter aus dem Leopold Museum, hrsg. von Rudolf Leopold/Romana Schuler, Wien 2002 (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, 05.10.2002-06.01.2003).