Scheinbar harmlos und doch unterschwellig beunruhigend wirkt das einsam in der starr-winterlichen Landschaft unter eisigem Himmel in fahlem Licht daliegende verwunschene, menschenleere Gehöft, mit dem uns der Zeichner, Grafiker und Schriftsteller Alfred Kubin (1877–1959) mit Tusche und Feder in seinem Werk Verrufener Ort von 1903/04 konfrontiert. Den Rillen des auf einem geschlungenen Damm liegenden Weges folgend, der von einer begrenzenden Mauer begleitet wird, landet der Blick der Betrachter/*innen vor zwei sonderbaren kleinen Gebäuden mit Fassaden, die an Gesichter kruder Gestalten erinnern. Aus dem kleineren der beiden kragt ein gekrümmtes Kaminrohr in den Himmel. Kubin lebte seit 1906 gemeinsam mit seiner Frau Hedwig im abgeschieden gelegenen Schloss Zwickledt in Oberösterreich in völliger Zurückgezogenheit. Die Morphium-Abhängigkeit seiner Ehefrau dürfte zu dem Leben in selbstgewählter Isolation beigetragen haben. Den Kauf des Anwesens hatte Hedwig als einst begüterte Witwe ermöglicht.
Sign. re. u. mit Bleistift: Kubin; bez. li. u. mit Bleistift: Verrufener Ort.; bez. von fremder Hand: um 1910; num. re. u.: 3000
Nennung
Leopold Museum, Wien, Inv. 876
Inventarzugang
Eingebracht in die Leopold Museum-Privatstiftung 1994
Literaturauswahl
Alfred Kubin. Bekenntnisse einer gequälten Seele, hrsg. von Hans-Peter Wipplinger, Köln 2022 (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, 16.04.2022–24.07.2022).
Alfred Kubin. Aus meinem Reich. Meisterblätter aus dem Leopold Museum, hrsg. von Rudolf Leopold/Romana Schuler, Wien 2002 (Ausst.-Kat. Leopold Museum, Wien, 05.10.2002-06.01.2003).