1938 emigrierte Oskar Kokoschka (1886–1980) nach England und verblieb dort bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Während dieser Zeit engagierte sich der Künstler intensiv politisch und schuf nicht nur plakativ konzipierte Grafiken, die als humanitäre Aufrufe fungieren sollten, sondern auch eine Reihe von malerischen Allegorien, wie 1942 das Gemälde
„Anschluss“ – Alice im Wunderland. Wie die drei Affen, die nichts hören, sprechen und sehen wollen, stellt der Künstler Englands Außenminister Neville Chamberlain (1869–1940) mit Helm und Schnurrbart, einen Soldaten des Dritten Reichs und einen Bischof dar. Als Personifikationen der drei Großmächte – England, Nazideutschland, Frankreich – sowie der drei Stände – Bürgertum, Militär, Klerus – symbolisieren die drei Männer die Schlüsselrollen, die Europa in den Untergang trieben. Rechts hinter einem Stacheldraht steht die nackte Alice, benannt nach Lewis Carrolls (1832–1898) Roman
Alice im Wunderland. Sie, „Wahrheit“ und „Österreich“ in einem darstellend, wendet ihren Blick ab. Hinter ihr das in Flammen stehende Wien. Das Werk ist die zur Leinwand gewordene Kritik Kokoschkas an der Appeasement-Haltung der Alliierten gegenüber der Invasionspolitik Adolf Hitlers und verbildlicht den verzweifelten Protestschrei des Künstlers.
AS, 2021