Bereits Ende der 1880er-Jahre kreierte der Belgier George Minne (1866–1941) einen neuen Typus in der Plastik und schuf – sich dem herrschenden Zeitgeschmack entziehend – schlanke, hagere Figuren. Etwa ab 1895 arbeitete er an verschiedenen Versionen eines knienden Knaben – diese stammt aus dem Jahr 1897 –, die am Rande eines Brunnens Aufstellung finden sollten. Mit ihren überkreuzten Armen und den fast demütig gesenkten Köpfen zeigen sie einen der Gotik verwandten Zug, wie er auch in anderen Werken Minnes zu erkennen ist. Eine Version dieses Brunnens fand 1905/06 in dem von Karl Ernst Osthaus (1874–1921) gegründeten Folkwang Museum in Hagen Aufstellung. Auch in Wiener Sammlungen – die vorliegende stammt aus der Sammlung von Carl Moll (1861–1945) – befanden sich schon früh Versionen dieses Knienden Knaben, der die jungen expressionistischen Künstler Egon Schiele (1890–1918) und Oskar Kokoschka (1886–1980) zu gleichfalls häufig hageren, fragilen, teils androgynen Jünglingsgestalten inspirierte.